Einleitung
Volkswagen, ein Flaggschiff der deutschen Industrie, kam in letzter Zeit immer mehr in die Schlagezeilen und wird daraus auch nicht mehr so schnell herauskommen. Was für die Öffentlichkeit lange nicht sichtbar war, ist nunmehr nicht mehr zu verleugnen, Volkswagen ist nun endgültig in der Krise angekommen. Der VW-Gewinn ist im 3. Quartal 2024 um mehr als 40 % eingebrochen und plant in Deutschland mindestens 3 Werke zu schließen. Dabei erfüllte das Unternehmen in der Vergangenheit alle Eigenschaften, die ein börsennotiertes Blue-Chip-Unternehmen auszeichnet: große Marktkapitalisierung, finanziell solide und stabil, führende Marktstellung und langjährige Erfolgsbilanz. Zu viel steht auf dem Spiel und zu hoch sind die Konsequenzen jeder zukünftigen Weichenstellung, als das man das nunmehr „unter ferner liefen“ betrachten könnte.
Inhaltsverzeichnis
Ein Riese am Kipppunkt
Riesengroß ist die Aufregung um den geplanten Abbau von zehntausenden Jobs bei Volkswagen in Deutschland. Laut Volkswagen Geschäftsbericht beschäftigte der Konzern 2023 weltweit 684.025 Mitarbeiter, davon 298.687 Mitarbeiter alleine in Deutschland und bereits 90.000 Mitarbeiter in China (im traditionellen, ausländischen Produktionsstandort Mexiko hingegen „nur“ 13.000 Mitarbeiter in 2 Werken). Die Nervosität in Deutschland ist verständlicherweise groß, die Sorgen – insbesondere von Arbeitnehmern – berechtigt. Ebenso jedoch auch die Sorgen der Anleger, für die der Volkswagenkonzern in der Vergangenheit eine „sichere Bank“ war.
Die Energiewende: bestellt und geliefert
Überraschen kann die Entwicklung jedoch nicht wirklich, wenn man sich die Rahmenbedingungen näher ansieht. Bei jedem energiekostenintensiven (und das sind mehr oder weniger alle industriellen Produktionsanlagen) Industrieproduzenten hat es Folgen wenn sich die Energiekosten stark erhöhen. Der Strompreis wirkt sich in allen Stufen einer industriellen Fertigung aus, die in Deutschland von 2022 auf 2023 eingetretene Strompreiserhöhung um knapp 26 % hinterließ bei den deutschen Autoherstellern tiefe Spuren.
Jahr | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
Preis (ct/kWh) | 14,16 | 14,20 | 14,18 | 14,34 | 15,12 | 19,04 |
Veränderung zum Vorjahr (%) | +1,4 | +0,3 | -0,1 | +1,1 | +5,4 | +25,9 |
Der Gaspreis spielt bei Autoherstellern zwar eine geringere Rolle als der Strompreis und wird primär für die Wärmeherstellung z. B. bei Lackieranlagen und bei der Heizung von Betriebsstätten wirksam. Spurlos bleibt eine Erhöhung um 80 % (von 2021 auf 2022) in der Kostenrechnung allerdings auch nicht.
Jahr | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
Preis (ct/kWh) | 2,50 | 2,40 | 2,20 | 2,50 | 4,50 | 5,00 |
Veränderung zum Vorjahr (%) | +5,0 | -4,0 | -8,3 | +13,6 | +80,0 | +11,1 |
Man kann sich eigentlich ausrechnen, was in einer globalisierten Welt passiert, wenn ein Industrieunternehmen in Deutschland durchschnittlich mit 19,04 ct/kWh das 2,4fache an Stromkosten gegenüber der Konkurrenz in USA und China bezahlt. Dass ein Großteil dieses gewaltigen Kostenunterschiedes der eigenen, deutschen Energiepolitik (Dekarbonisierung, Energiewende, Ausstieg aus Atomkraft, zusätzlich CO2-Steuern, etc.) geschuldet ist, muss man der deutschen Politik ankreiden, die glaubt, dass man mit Maßnahmen in einem Land, das 1,5 % der weltweiten CO2-Emissionen ausstößt, das Weltklima beeinflussen könne.
Die Bevölkerung registriert es erst jetzt, was die „Grünen“ unverhohlen angeboten haben: Die Deindustrialisierung Deutschlands – bestellt und geliefert! Man höre und sehe dazu den Kommentar von Theodor Weimer, CEO der deutschen Börse. Die internationale Konkurrenz freut´s. Mitarbeiter und Aktionäre der Volkswagen AG sowie Unternehmer und Mitarbeiter der Privatwirtschaft, die im wesentlichen unser Sozialsystem finanzieren, wohl weniger!
Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war!
Neben Energiepreisen die in etwa 5 – 10 % der Gesamtkosten ausmachen, sind auch die Lohnkosten mit 15 – 20 % der Gesamtkosten eine für die Wettbewerbsfähigkeit wichtige Kostenkomponente. Mitarbeiter bei VW Deutschland konnten sich jahrzehntelang überdurchschnittlicher Löhne, Boni und sonstiger Vergünstigungen erfreuen, sicherlich auch dank des Umstandes, dass das Bundesland Niedersachsen am Konzern mitbeteiligt ist. In der aktuellen Situation würde der Vorstand die Gehälter um 10 % reduzieren und Boni streichen wollen und im Rahmen der eingangs erwähnten Werksschließungen zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen.
Wenn es um die langfristige Sicherung weiter Teile des Unternehmens am Standort geht, sind Lohnreduzierungen von Gutverdienenden (im Fall von VW der Großteil der Beschäftigten) legitim, aber nach einer ununterbrochenen Serie mit jahrzehntelangen Lohnsteigerungen ein ungeliebter Paradigmenwechsel. Klar, dass hier zähe Verhandlungen folgen werden, damit am Ende ein tragbarer Kompromiss herauskommt, der die Leistungsmotivation trotz Lohneinbußen als auch eine Standortsicherheit aufrecht erhält.
Betriebsrat, IG-Metall und das Land Niedersachsen (hält 11,8 % Anteile und hat 20 % der Stimmrechte an VW) sind natürlich reflexartig gegen Werkschließungen und könnten diese im Aufsichtsrat blockieren. Dass in dieser schweren Unternehmenssituation die aktuelle Betriebsratsvorsitzende auch noch eine Lohnerhöhung von 7 % einfordert zeigt was der Unterschied zwischen Interessensvertretern und Verantwortungsträgern ist. So wie die Gewerkschaft die Gesamtsituation ignoriert, möchte man der IG-Metall am liebsten zurufen: „Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war!“1
Toyota kann´s mit Kanban
Vielleicht hilft auch ein internationaler Effizienzvergleich zwischen traditionellen Markenherstellern wie Volkswagen und Toyota um sich der Dramatik bezüglich der globalen Wettbewerbsfähigkeit bewusst zu werden. Laut einer Analyse von swissLean AG produziert Toyota 27,5 Fahrzeuge pro Mitarbeiter und Jahr, während Volkswagen auf 13,5 Fahrzeuge pro Mitarbeiter kommt. Das bedeutet, dass Toyota etwa 49 % mehr Fahrzeuge pro Mitarbeiter produziert als Volkswagen.
Diese Effizienz spiegelt sich auch in den Produktionszahlen wider: Toyota produzierte 2023 über 11,5 Millionen Fahrzeuge mit rund 375.000 Mitarbeitern, während Volkswagen 9,24 Millionen Fahrzeuge mit etwa 684.000 Mitarbeitern herstellte. Das heißt, Toyota produziert mit der Hälfte an Mitarbeitern um 25 % mehr Autos als Volkswagen. Selbst wenn man ins Treffen führt, dass die beiden Konzerne eine unterschiedliche Produktionsstrategie verfolgen, indem VW viele Komponenten selbst produziert , während Toyota etwa 70 % der Fahrzeugteile von externen Lieferanten bezieht (Make-or-Buy-Quote oder Outsourcing-Quote), ist der Effizienzunterschied greifbar2.
Und Toyota ist schließlich auch nicht „irgendein“ Hersteller von Billigkarossen, sondern genießt den Ruf als einer der führenden Hersteller für fortschrittliche Sicherheits- und Fahrzeugtechnologien. Nicht wirklich beruhigend für Volkswagen und seine Aktionäre! Vielleicht sollten sich Politik und Gewerkschaften diesen wichtigen Detailinformationen nicht länger entziehen. Es ist ja nicht so, dass Kanban-Systeme gespickt mit „Just-in-Time-Produktion“, KVP (kontinuierliche Verbesserung) in den letzten Jahrzehnten bei Volkswagen nicht Einzug in die Produktionsprozesse gehalten haben. Aber irgendwo muss das Volkswagen im Vergleich mit dem japanischen Konkurrenten falsch abgebogen sein, Toyota kann´s mit Kanban offensichtlich besser.
An China führt kein Weg vorbei
Ebenso dramatisch wie die großen Effizienzunterschiede zu Toyota ist der Vergleich mit den chinesischen Automobilbauern. Waren chinesische Autos vor 25 Jahren für ihre schlechte Qualität im Vergleich zu deutschen Marken (VW, BMW, Mercedes, Audi) bekannt, so wurden in den Folgejahren bis heute riesige Fortschritte erzielt. Hersteller wie Geely, NIO, BYD und Great Wall Motors haben Qualitätsstandards und Technologien stark verbessert und sich international etabliert.
An China führt für deutsche und europäische Autohersteller kein Weg vorbei. Technologisch die chinesischen Autos inzwischen sowohl bei den Autos mit Verbrennungsmotoren noch bei batteriegetriebenen Autos erfolgreich als „global player“ unterwegs. China kann in der Automobilbranche bis auf längeres kaum noch aus der Bahn geworfen werden:
- weder als Produzent, da sie technisch aufgeschlossen haben und kostengünstiger sind,
- noch als Auslagerungsstandort für europäische Hersteller. Die Fertigung in China ist effizienter, da das Land gut ausgebaute Lieferketten und günstige Produktionsbedingungen bietet.
- noch was internationale Kooperation und Entwicklung betrifft. China investiert massiv in Forschung und Entwicklung, insbesondere bei Zukunftstechnologien wie autonomen Fahren und alternativen Antrieben. Deutsche Hersteller profitieren durch Partnerschaften und die Nähe zu diesen Entwicklungen.
- noch als Absatzmarkt für europäische Hersteller. China ist der größte Automobilmarkt der Welt, und deutsche Hersteller wie Volkswagen und BMW erzielen hier hohe Verkaufszahlen. Die wachsende Mittelschicht und die Nachfrage nach Premiumfahrzeugen machen China zu einem zentralen Absatzmarkt.
Cháng Shòu3 für den „Verbrenner“ in China
Cháng Shòu heißt „langes Leben“ und gilt für die Verbrennungsmotoren in China, das sich nicht auf ein Ultimatum für ein „Verbrenner-Aus“ festlegte wie Deutschland. In einem Deutschland allerdings, wo bezweifelt werden darf, ob dafür die notwendigen Rahmenbedingungen hinsichtlich Stromverfügbarkeit und flächendeckender Infrastruktur gewährleistet werden. In Chinas ländlichen Regionen bleibt der Verbrennungsmotor aufgrund der unzureichenden Ladeinfrastruktur ohnehin noch lange ein unverzichtbares Transportmittel. Im Schwerlastverkehr und im Langstreckenverkehr ist der Verbrennungsmotor die effizientere Option. Hybridfahrzeuge stellen in China eine Brückentechnologie dar. Und last but not least hat China moderne und leistungsstarke Verbrennungsmotoren-Produktionsstätten, die es nutzen will.
China verfolgt einen pragmatischen Ansatz zur CO₂-Reduktion, der verschiedene Sektoren und Technologien umfasst, ohne sich ausschließlich auf den Elektroantrieb zu fokussieren. Die wichtigsten Maßnahmen sind Verbesserungen der Energieeffizienz der Industrie, Ausbau erneuerbarer Energie + Nutzung von Atomenergie, F&E in Wasserstofftechnologie, Förderung von Elektrofahrzeugen und Verbesserung von öffentlichen Verkehr und kommunaler Planung.
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Die Qualität von chinesischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren hat sich an europäische Standards angenähert, und bei Elektrofahrzeugen gelten einige chinesische Modelle sogar als führend. Die chinesische Marken haben auch stark von Kooperationen und Beteiligungen mit internationalen Partnern profitiert (z. B. Geely mit Volvo) und produzieren längst konkurrenzfähige Motoren und Getriebe.
Rauer Wind für deutsche Autohersteller und wachsames Auge für Anleger
Der Wind wird also rauer werden und es wird zunehmend auch für aktuelle und zukünftige Aktionäre notwendig sein, die Großwetterlage für die deutsche Automobilindustrie – die jahrzehntelang ein großer und zuverlässiger Garant für weltweite Exporterfolge und Symbol für steigenden Wohlstand war – zu verfolgen.
Ein Niedergang der deutschen Automobilindustrie geht natürlich mit dem Vertrauensverlust von Anlegern einher. Gerade Volkswagen ist diesbezüglich ein gebranntes Kind. Der VW-Abgasskandal „Dieselgate“ ist noch nicht so lange her. 2015 hat die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) veröffentlicht, dass der ehemalige Musterschüler in vielen Dieselmodellen eine Software zur Manipulation der Abgaswerte eingesetzt hatte.4 Der Skandal führte zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei Verbrauchern weltweit. Wenn dann auch noch ein Vertrauensverlust in die Leistungsfähigkeit dazukommt, dann weiß man im Volkswagen-Konzern nur allzu gut Bescheid um die globale Negativspirale.
Um die Schließung großer Produktionsbetriebe oder eine Standortverlegung nach China, USA oder sonstige Regionen einzudämmen, wird es seitens der Politik notwendig sein, den Unternehmen langfristig stabile Rahmenbedingungen (rechtlich stabil und zu international konkurrenzfähigen Kosten) zu bieten. Der Home-Bias von Aktionären ist endlich und eine Veranlagung in US-Aktien geht auch schneller vonstatten als die Verlegung eines industriellen Produktionsstandortes. Offensichtlich ist, dass Volkswagen ein Effizienzproblem hat, der Vergleich mit Toyota spricht Bände. Neben klassischen Kostenreduzierungsmaßnahmen wird sich der Konzern auch mit unterstützenden Möglichkeiten wie zum Beispiel der Blockchain-Technologie beschäftigen müssen, damit alle Möglichkeiten der Prozessverschlankung und -sicherung verfolgt werden und eine entsprechend rasche Kostenwirkung (sprich Reduzierung Lohnkosten pro Fertigungsstück) erzielt wird. https://cashplosiv.com/blockchain-technologie-geschaeftsprozesse/
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- das Zitat wird oft Karl Valentin zugeschrieben. Es gibt jedoch auch Quellen, die Yogi Berra oder Paul Valéry als Urheber nennen. ↩︎
- die Outsourcing-Quote von VW wird nicht öffentlich bekanntgegeben, liegt schätzungsweise bei 50 – 60 %. Es ist bekannt, dass VW traditionell eine höhere vertikale Integration verfolgt als viele andere Automobilhersteller. Daraus ergeben sich je nach Wettbewerbssituation entsprechende Vor- und Nachteile ↩︎
- „langes Leben“ ↩︎
- diese SW erkannte Testsituationen und reduzierte die Stickoxid-Emissionen nur im Laufe der Tests, währenddessen die Fahrzeuge im Normalbetrieb deutlich höhere Emissionen verursachten. ↩︎